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Weihnachten inmitten von Weihnachtsmännern

Pfarrbrief vom 04.01.2004:
Die berühmte Skulptur Emerentia-Selbviert in unserem Dom stellt vier Generationen dar. Der Betrachter sieht Maria, ihre Mutter Anna und deren Mutter Emerentia. Die Blicke der Frauen sind auf eine Mitte gerichtet; aber diese Mitte ist leer. Das Jesuskind, das ursprünglich auf dem Schoß seiner Mutter lag, ist verlorengegangen. Dieses verlorene Christ-Kind ist ein Symbol unserer Zeit. Weil die Menschen das Gottes-Kind verloren haben, brauchen sie einen Ersatz.

Jeder Mensch hat seinen Gott. Für die Christen hat Gott seinen Sohn Jesus von Nazaret in die Welt gesandt, um den Menschen nahe zu sein. Dieses größte Ereignis der Weltgeschichte haben wir in den vergangenen Tagen gefeiert. Viele Menschen haben diesen Gott verloren. Da aber niemand ohne Gott leben kann, müssen Ersatzgötter geschaffen werden. Das können viele Dinge sein: das Haus, das Auto, die Ferienwohnung, der Schmuck, der Sport, das Hobby. „Das, woran du dein Herz hängst, ist dein Gott“, hat Martin Luther gesagt. Der wahre Gott wird durch einen falschen verdrängt.

So geht es auch dem Kind in der Krippe. Wer an die Menschwerdung Gottes nicht glauben kann, muss sich einen Ersatz schaffen, weil es ohne Gottesbezug nicht geht. So hat man im Anschluss an das alte, bekannte Lied von Hoffmann von Fallersleben „Morgen kommt der Weihnachtsmann, kommt mit seinen Gaben“ aus dem Jahre 1835 die Idee des Weihnachtsmanns wieder aufgegriffen. Aber wer ist der Weihnachtsmann? Wo begegnet er uns in der Bibel? Ist er ein Heiliger - etwa der hl. Nikolaus - oder eine Erfindung der Menschen? Kann man auf ihm sein Leben aufbauen? Sollen Kinder an ihn Briefe schreiben? Ist die Frage des Kindes Virginia an die amerikanische Zeitung „Sun“ berechtigt, ob es denn wirklich einen Weihnachtsmann gäbe?

Der sogenannte Weihnachtsmann ist ein Onkel aus Amerika. 1931 wurde diese Figur von der Firma Coca-Cola zu Werbezwecken erfunden. Der schwedisch-amerikanische Zeichner Haddon Sundblom erhielt den Auftrag, einen sympathischen Mann für eine Werbekampagne zu zeichnen. Er schuf ein großväterliches Gesicht mit Pelzmütze und einer Kleidung in den typischen Coca-Cola-Farben: mit rosa Wangen und einem stattlichen weißen Bart sowie einem roten Mantel mit weißem Pelzbesatz. Später wurde diese Gestalt vor allem für die geschäftliche Weihnachtswerbung eingesetzt. Er sollte zum Kauf anreizen und den Konsum steigern. Im letzten betreibt also jeder, der als Weihnachtsmann auftritt oder für ihn schwärmt, Werbung für Coca-Cola; er fördert die Kauflust der Menschen und die Steigerung des Konsumrausches, ohne es zu wissen.

Viel schlimmer noch als die Werbung für die amerikanische Getränkeindustrie ist die verheerende Wirkung dieses Ersatzmanns für die christliche Botschaft. Die Weihnachtsmänner haben das Jesuskind verdrängt. Viele Kinder wissen nichts mehr von der Geburt des göttlichen Kindes; sie kennen nur noch einen kitschigen Ersatz, der sich als Liebhaber der Menschen und als Verteiler von Gaben ausgibt. Mehr kann man Kinder nicht betrügen und ihnen den Glauben an das Christkind, den Retter der Welt, aus dem Herzen reißen! Alle, die sich an dieser säkularisierten Form des Weihnachtsfestes beteiligen, zerstören die zentrale christliche Botschaft von der Menschwerdung Gottes und seiner Liebe zur Welt und zu den Menschen. Weil auch viele Eltern ihren Glauben verloren haben, führen sie ihre Kinder ebenfalls zu diesem Ersatzgott, der ihnen aber niemals Wegbegleiter und Helfer für ihr Leben sein kann.

Alle Christen, die an die wahre Weihnachtsbotschaft glauben, sind eingeladen, den Weihnachtsmann aus dem kirchlichen und privaten Bereich zu verbannen, ihm die Maske abzunehmen und offenzulegen, wie sehr unsere religiösen Bedürfnisse und Sehnsüchte von der amerikanischen Wirtschaft missbraucht werden. Die Hl. Drei Könige, deren Fest wir am 6. Januar feiern, sind nicht zu einem Weihnachtsmann gezogen, sondern zu einem Kind in der Krippe. Dieses Kind war für sie damals schon der Messias, der Retter der Welt. Auch für uns heute ist dieser Sohn Gottes allein in der Lage, unsere tiefe Sehnsucht nach dem Leben zu stillen.

Ihr

Paul Jakobi
Propst

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