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Wenn die Lichter ausgehen

Pfarrbrief vom 31.08.2003:
Der Stromausfall im Nordosten Amerikas hat die stolze und mächtige Nation nicht nur in Dunkelheit gestürzt, sondern auch in Angst und Schrecken versetzt. Seit dem 11. September 2001 ist diese Supermacht tief verunsichert. Der weltweite Terrorismus hat dem scheinbar unbesiegbaren Amerika bewiesen, dass auch dieses Land verwundbar ist. Wenn auch der Zusammenbruch der Energiequelle nicht auf Terroristen zurückzuführen war, so hat dieser Staat doch erfahren müssen, dass er nicht perfekt ist, sondern dass unberechenbare Gefahrenquellen bleiben.

Zunächst hört es sich problemlos an, wenn die Lichter ausgehen und alles dunkel ist. „Im Dunkeln ist gut munkeln“ sagt der Volksmund; das klingt ziemlich harmlos. Bei näherem Zusehen aber erschrickt uns die harte Realität. Dann entdeckt man die katastrophalen Auswirkungen eines kontinentalweiten Stromausfalls: nicht nur die Straßen, alle Häuser, Lokale, Bahnhöfe sind nicht mehr erleuchtet; die Züge bleiben auf den Strecken stehen; die Menschen in den Aufzügen sind gefangen; die Speisen in den Kühlschränken verkommen; viele Kranke können nicht mehr versorgt werden; die Arbeitsplätze sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr zu erreichen; Speisen können nicht mehr zubereitet werden. Kerzen und Spirituskocher sind nur ein schwacher Trost gegenüber dieser Finsternis. Wir werden an das Wort des Propheten Isaja erinnert, der von einem Volke spricht, das im Dunkel lebt (Is 9,1).

Damit bekommt das Thema „wenn die Lichter ausgehen“ eine neue, eine tiefere, eine religiöse Dimension. Was ist, wenn das Licht des Glaubens ausgeht, wenn die Energiequelle Gottes versiegt, wenn das Wort Gottes nicht mehr verkündigt wird, wenn das „Licht der Welt“ nicht mehr leuchtet? Eine solche Katastrophe wäre viel schlimmer als der Stromausfall im Nordosten Amerikas.

Wenn die Lichtquelle Gott erlischt, geraten die Menschen in eine Dunkelheit, die nur noch Tod und Untergang kennt. Diese Finsternis macht die Menschen orientierungslos; sie können das Ziel ihres Lebens und seinen Sinn nicht mehr erkennen. Die Grundlagen für humanes Miteinander werden zerstört; jeder versucht auf eigene Faust zu seinem Recht zu kommen. Die Welt wird rücksichtslos, weil alle Halteseile gerissen sind.

Darum brauchen wir ein „Licht der Welt“ (Joh 8,12), ohne das wir nicht leben können. Wir brauchen aber auch Menschen, die von Gott berufen sind, als „Kinder des Lichtes“ (Joh 12,36) zu leben. Dazu zeigt Jesus den Weg: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Nur so können sie überall in der Welt auf das wahre Licht hinweisen. Dieser Dienst macht Christen und Kirche unersetzbar.

Wenn überall im Lande die Lichter angehen sollen, muss die „Energie“ Gottes ins ganze Land, in alle Häuser, Bahnhöfe, Gaststätten, Werkstätten, Krankenhäuser, Krisengebiete transportiert werden. „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,14) sagt Jesus in seiner Bergpredigt, und dieses Licht wird von einer Energiequelle gespeist, die Er selber ist.

Der Ruf nach einer Erneuerung und Modernisierung der veralteten Energiequellen in Amerika könnte auch die Kirche erreichen. Vieles muss reformiert, vieles in ihr verbessert werden, damit die Botschaft der Liebe leuchten kann.

Ihr

Paul Jakobi
Propst

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