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Die Taufe Jesu und unsere Taufe

Pfarrbrief vom 12.01.2003:
Viele Eltern, die ihre Kinder taufen lassen wollen, können die Taufe kaum begründen. Sie sagen: Wir lassen unser Kind taufen, damit es später kirchlich heiraten kann; oder: damit es in dieser christlichen Umgebung kein Außenseiter ist; oder: weil auch wir getauft worden sind; oder: weil es einfach zum Leben gehört; oder: weil eine schöne Feier damit verbunden ist. Alle diese Antworten können nicht befriedigen. Die Bibel hält sich nicht lange mit der Kindheit Jesu auf. Nach seiner Geburt und der Szene vom 12-jährigen Jesus im Tempel werden die folgenden 2 Jahrzehnte verschwiegen. Das erste große Ereignis im Leben Jesu ist seine Taufe. Mit diesem Ereignis tritt er an die Öffentlichkeit; ab jetzt ist er das große Gesprächsthema Israels und in der Welt. In diesem Augenblick öffnet sich der Himmel und bestätigt Jesus als den, den Gott erwählt hat. Erst auf diesem Hintergrund können wir die eigene Taufe verstehen.

Der Evangelist Markus hat in seinem Bericht über die Taufe Jesu erwähnt, dass sie eine Taufe zur Vergebung der Sünden sei. Dieser Gedanke bleibt unverstanden, weil zugleich der Einwand kommt, die Babys könnten noch keine Sünde begangen haben. Zwar haben die Kinder noch keine Schuld auf sich geladen, aber alle Menschen befinden sich doch in einem Strom von Schuld. Obwohl ich nie einem Juden etwas zuleide getan habe, habe ich mich viel für sie eingesetzt, weil ich mich als Deutscher schuldig fühle. Anders ist die Erbsünde kaum zu erklären. In der Taufe soll der Täufling aus diesem Strom von Schuld herausgerissen werden. Insofern ist die Taufe ein Reinigungs- oder Waschvorgang, der dadurch erkennbar wird, dass das Wasser über das Haupt des Kindes geschüttet wird.

Eine andere Begründung ist viel tiefer und wichtiger. Jesus wurde nicht getauft durch Übergießen von Wasser, sondern durch Untertauchen. Dieser Vorgang bedeutet etwas ganz anderes. Wenn ein Mensch unter Wasser gedrückt wird, muss er sterben. Genau das ist auch Taufe. Der alte Mensch soll sterben, aber er soll nicht im Tode verbleiben. Nachdem er unter das Wasser getaucht ist, darf er sich wieder erheben. Das ist ein Vorgang der Auferstehung. Jede Taufe eines Menschen hat mit dem Sterben und Auferstehen Jesu, mit Karfreitag und Ostern zu tun. Sie bewirkt eine totale Identifikation des Getauften mit Jesus Christus. Wir werden ein völlig anderer Mensch, ein zweiter Christus. Paulus sagt: "Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir" (Gal 2,20). So ist die Taufe nicht nur ein Zeichen, sondern eine völlige innere Veränderung des Menschen, also ein existenzieller Vorgang. In der Taufe wird den Menschen das Gottesleben eingepflanzt, das wir dann durch unser Leben entfalten sollen. Wer so die Taufe versteht, über den erschallt auch die Stimme aus dem Himmel: Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter, dich habe ich erwählt (Mk 1,11).

Wer so Christus in sich aufgenommen hat, wer mit ihm gestorben und auferstanden ist, wird Mitglied der Gemeinde Jesu Christi. Diese Eingliederung zeigt die Problematik eines Kirchenaustritts. Jesus ist der Erstgetaufte, wir sind Mitgetaufte und damit mit ihm in der Gemeinde verbunden. Jesus ist eine Epiphanie, eine Erscheinung Gottes; auch jeder Getaufte ist eine Epiphanie Gottes in der Welt. Wer sich so versteht, wird auch aus Gott zu leben versuchen.

Ihr

Paul Jakobi
Propst

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