Dom Minden  
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Gebt uns Hoffung

Pfarrbrief vom 27.10.2002:
"Kann ich noch Hoffnung haben?" ist die bange Frage schwerkranker Menschen. Wie oft wird sie uns Seelsorgern am Krankenbett gestellt. Die Antwort will gut überlegt sein, weil nur die Wahrheit überzeugt. Das unehrliche, wider besseres Wissen hingeworfene Wort: "Sie werden schon wieder gesund werden", nimmt den Kranken in seiner Todesnot nicht ernst. Auf der anderen Seite hängt sich der Patient an jeden Faden der Hoffnung, so dass ihm der Lebensmut nicht genommen werden darf. Begründete Ermutigung ist immer Lebenshilfe.

Der diesjährige Missionssonntag steht unter dem Leitwort: "Gebt uns Hoffnung." Diese Bitte ist Leidenden in den Mund gelegt, die von einer bisher unbekannten Krankheit befallen sind. Die Missionare und einheimischen Priester in Afrika schildern die schrecklichen Auswirkungen dieser Seuche, die mehr Menschenleben fordert als die Pest des Mittelalters in Europa. Damals wurden ganze Städte vernichtet. Die Hexenprozesse spielten in diese Seuche hinein, weil man glaubte, in irgendeiner Weise auffallende Frauen würden mit dem Teufel in einem Bund stehen, der diese Todesmaschine in Gang gesetzt hat. Heute sind weltweit über 40 Millionen von HIV/Aids betroffen, davon leben über 28 Millionen in den Ländern des südlichen Afrika. Eine ganze Elterngeneration stirbt weg, die hilflose Waisenkinder hinterlässt. Ihre Augen schauen uns an und ihre Bitte lautet: "Gebt uns Hoffnung." Manche strenge Gläubige und Moralisten möchten diese neue Geißel der Menschheit auf die moralische Ebene verlagern, etwa: "Hätten sie enthaltsam gelebt, wäre das nicht passiert." Diese Antwort ist keine Hilfe! Schon gar nicht gilt sie für die Kinder, die bereits aidsinfiziert auf die Welt kommen. Soll man sie einfach ihrem Schicksal überlassen? Wie wollen wir die Bergpredigt Jesu leben, wenn wir mit Schuldzuweisungen antworten? Wie ist Jesus mit der Ehebrecherin umgegangen? Haben nicht viele Menschen ihre Situation, ihre Armut und ihr Elend selbst verschuldet? Wer will beurteilen, welche Rahmenbedingungen, Notsituationen oder Krankheiten auf das Schicksal eines Menschen Einfluss genommen haben? Jesus hat keine Untersuchungen nach der Schuld eines Leidenden angestellt, sondern er hat auf den Hilferuf eines Menschen reagiert. Und auch uns wird er aus unserer Verantwortung vor der Not nicht entlassen. "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben ... und deinen Nächsten wie dich selbst." (Mt 22,37-39), ist die lapidare Aufforderung Jesu.

Wiederum ist es ein Ruhmesblatt der Kirche, wenn die meisten Aidsopfer in kirchlichen Einrichtungen gepflegt werden. Weil dies eine neue Aufgabe der im südlichen Afrika lebenden Christen ist, verdienen sie auch die besondere Unterstützung aller Christen in der Welt. Schauen Sie sich die ausgegebenen Tüten genau an: Auf der Vorderseite werden Sie von den Kindern flehentlich angeschaut; auf der Rückseite können Sie erfahren, wie der Papst dieses weltweite Aids-Problem sieht. Danach greifen Sie bitte zu ihrem Portemonnaie und legen Sie viel Geld in die Tüte. Danke!
 
Ihr

Paul Jakobi
Propst

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