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Das einfache Leben

Pfarrbrief vom 08.09.2002:
10 Tage ohne Fernseher und Computer. 10 Tage ohne fließend warmes Wasser. 10 Tage auf engstem Raum mit sechs oder sieben anderen Kindern übernachten. 10 Tage ohne Dusche und "richtiges" WC, dem Wohlwollen der Wasserpumpe und dem Wetter ausgeliefert. 10 Tage in freier Natur, nur ein Zeltdach über dem Kopf. Das ist Zeltlager in Haselünne für ca. 70 Teilnehmer und Leiter, seit nun schon vier Jahren.

10 Tage Zeltlager, das bedeutet auch: (für einige:) den Jahresurlaub "opfern"; viel Zeit investieren für Vorbereitung und Organisation; ein sorgfältig ausgearbeitetes Programm für jeden Tag erstellen; Spiel, Spaß, Abenteuer und Gemeinschaft erleben dürfen. Zeltlager Haselünne, das heißt nicht zuletzt: jeden neuen Tag beginnen mit Liedern und Gebeten, das Tischgebet vor und nach den Mahlzeiten nicht vergessen, abends am Lagerfeuer sitzen, um gemeinsam zu singen, den Tag beschließen mit dem Gebet des Herrn, dem Vaterunser und am Sonntag auf der Wiese Gottesdienst zu feiern.

Es ist das einfache Leben, das wir hier genießen. Leben pur, in Gottes Schöpfung. Sicher auch mit der ein oder anderen kleinen Auseinandersetzung, doch im Großen und Ganzen glücklich und zufrieden. Wissen wir doch, dass wir es mit dieser Art zu leben sehr viel besser haben, als ein Großteil der Menschheit. Und das bezieht sich nicht nur auf Menschen in den sog. Entwicklungsländern, die oftmals nicht einmal das allernötigste - Wasser und Brot - zum Leben haben. Das haben wir hier - Gott sei Dank - genug. Nein, uns geht es besser auch als vielen Menschen, Kindern in den Wohlstandsgebieten unserer Erde, die leiden, weil sie allein sind, niemanden haben, der für sie da ist und ihnen Aufmerksamkeit schenkt.

"Sie haben alles und haben doch nichts" - so stellt der amerikanische Medienforscher und Kulturkritiker Neil Postman in Bezug auf die wachsende Zahl von Kindern in den Industriestaaten fest, die von ihren Eltern mit Konsumgütern wie Spielzeug, Fernseher und Computer zugeschüttet werden, jedoch zu wenig Zeit, Aufmerksamkeit und Liebe geschenkt bekommen. Wir haben nicht viel im Zeltlager. Was daheim unsere Wohn- und Kinderzimmer ausstattet, das sucht man hier vergebens. Und doch haben wir alles im Zeltlager. Alles, was wir zum Leben brauchen, vor allem viel Zeit und Aufmerksamkeit füreinander und auch für Gott.

Folgendes Gebet schrieb eine Teilnehmerin in unser Zeltlager-Gebetbuch:

"Herr, ich möchte Dir danken: für dieses Zeltlager, das Essen, das wir hier genießen dürfen und auch für die gute Gemeinschaft. Lass uns dabei aber nicht die Menschen vergessen, die es nicht so gut haben wie wir, und beschütze alle Menschen, die wir lieb haben."

Ich möchte hinzufügen: "Herr, ich danke Dir für die Menschen aus unserer Gemeinde, die sich Jahr für Jahr dafür einsetzen, dass wir im Zeltlager alles haben, was wir zum Leben brauchen. Dank für alle, die diese wunderschönen Tage ermöglicht haben!"
 
Euer

Hans-Jürgen Kötemann
Pastor

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