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In einer konfessions- und religionsgemischten Gesellschaft wird häufig auch über Gott gesprochen. Wie ist dein Gott? Unterscheidet er sich von meinem Gott? Oft endet ein solches Gespräch mit der Feststellung: "Wir glauben doch alle an denselben Gott." Für den einen ist diese Bemerkung ärgerlich, für den anderen versöhnlich.
Die Gottesvorstellung ist bei den Menschen sehr unterschiedlich. Mir sagte einmal ein Arzt: "Ich glaube an ein höheres Wesen. Irgendeine besondere Kraft muss es doch über der Welt geben." Wenn dieser Gottesbegriff auch wenig aussagestark und ungenau ist, steckt doch ein Glaube an eine geistige Kraft dahinter, die diese Welt überragt. Das ist mehr als Unglaube oder Atheismus. Religion gehört offenbar zum Menschen, der vor letzten Fragen steht, auf die er keine Antwort weiß.
Viel dichter und konkreter als das "höhere Wesen" ist der Gottesbegriff der Muslime, die in großer Zahl in unserer Stadt leben. Auch sie verehren den Gott Abrahams, der als alleiniger und lebendiger Gott angebetet wird. Die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam sind durch ihren gemeinsamen Ursprung bei Abraham miteinander verbunden. Trotz mancher Unterschiede lehrt die Kirche im 2. Vatikanischen Konzil: Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist (Nostrae aetate 1965). Deshalb mahnt sie zum Gespräch und zur Zusammenarbeit - mit Klugheit und Liebe. Schon zweimal hat der Papst mit Vertretern anderer Religionen zusammen in Assisi gebetet. Wenn es in dieser Welt nur einen Gott geben kann, werden alle Gebete der Menschen auf diesen Gott zulaufen. "Alles was aufsteigt, strebt zusammen". (Chardin).
Unterschiedlich ist das Wissen um "denselben" Gott. Da sind wir katholischen und evangelischen Christen in einer überaus glücklichen Lage. Wer Gott wirklich ist, ist uns endgültig letztlich durch Jesus Christus bekannt geworden. Er hat in einmaliger Weise von Gott gesprochen. "Niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will" (Mt 11,27). Jesus ist die Ikone Gottes; wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen (Joh 14,9). In ihm zeigt Gott sein menschliches Antlitz. Wir haben deshalb ein so klares Gottesbild, weil Jesus uns seinen Vater sehr genau beschrieben hat. Am heutigen Dreifaltigkeitssonntag wird uns das besonders deutlich; denn niemand wüsste etwas von der Dreifaltigkeit Gottes, wenn Jesus uns das nicht gesagt hätte.
So besteht ein großer Unterschied zwischen dem anonymen Gott eines "höheren Wesens" und dem Gott der Offenbarung, obwohl es nur einen Gott gibt. Es ist leichter, zu einem personalen Gott zu beten, der von Jesus "Vater" genannt wird und von dem wir wissen, dass er den Menschen sich in Liebe zuwendet. Diesen Gott möchten wir allen Menschen nahe bringen. Darum ziehen wir am Fronleichnamsfest mit dem in der heiligen Eucharistie gegenwärtigen Gott durch die Straßen unserer Stadt. Wenn wir in diesem Jahr über die Weserbrücke gehen, möchten wir das starke Symbol einer Brücke ausnutzen. Wir wollen Brücken bauen zu anderen Konfessionen und Religionen, und gemeinsam eine Brücke zwischen den Menschen und Gott. Wenn Vertreter anderer Konfessionen und Religionen dabei sind, die auch ihren Glauben an die Gegenwart Gottes in dieser Welt bezeugen, hoffen wir einen Beitrag zu leisten im Sinne des Gebetes Jesu: "Alle sollen eins sein, ... damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast". (Joh 17, 21).
Ihr
Paul Jakobi
Propst
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