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Assisi

Pfarrbrief vom 27.01.2002:
In Assisi, einer Stadt des Friedens, treffen sich am 24. Januar die Vertreter der Weltreligionen und Konfessionen zum gemeinsamen Gebet. Über 200 hochrangige Vertreter verschiedener Religionen haben die Einladung des Papstes angenommen. Wenn der Leser diesen Pfarrbrief in Händen hält, liegt das Weltgebetstreffen bereits hinter uns. Manche kritische Stimme hat sich im Vorfeld zu Wort gemeldet: Wie können Menschen, die unterschiedliche Götter anbeten, sich zum gemeinsamen Gebet treffen? Welche Gruppierungen der Religionen werden vertreten sein? Kommen auch fundamentalistische, radikale Richtungen nach Assisi? Wird bei allen Teilnehmern der Friedensgedanke vorherrschen oder will man Minderheiten, die in einer fremden Religion leben müssen, bessere Bedingungen schaffen? Können überhaupt Christen, die unter dem Kreuz Jesu Christi beten, sich mit denen verbinden, die das Kreuz nicht kennen?

Durch alle diese Fragen hat sich der Papst nicht beirren lassen. Das erste gemeinsame Gebet der Religionen und Konfessionen 1986 in Assisi hat ein so überragendes positives Echo in der ganzen Welt gefunden, dass er sich in dieser krisengeschüttelten Zeit zu einem zweiten Welttreffen für den Frieden entschlossen hat. Die Auswahl der Stadt Assisi ist unbestritten. Hier hat der hl. Franziskus einen heiligen Ort, eine Oase des Friedens geschaffen. Sein Leben hat diese Stadt verwandelt. Hier ist der Sonnengesang des hl. Franziskus entstanden, ein Lob auf die Schöpfung, die alle Menschen umfängt und von der alle Menschen leben; hier wurde das Gebet gesprochen: Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens. Assisi ist eine Keimzelle des Friedens. Hier hat Franziskus den Tieren gepredigt, hier hat er den Hass durch die Liebe überwunden, hier hat er Völker versöhnt. Alle Religionen kennen und lieben diesen Großen der Menschheit.

Während 1986 das gemeinsame Gebet in Assisi der Verhinderung eines nuklearen Krieges galt, fürchtete der Papst nach dem 11. September 2001 einen Zusammenprall der Kulturen. In seiner Papstbotschaft zum Weltfriedenstag 2002 lädt er die christlichen Konfessionen und die großen Religionen der Menschheit zur Zusammenarbeit ein, um die sozialen und kulturellen Ursachen des Terrorismus zu beseitigen. Bisweilen ist der Terrorismus das Kind eines fanatischen Fundamentalismus, der aus der Überzeugung entsteht, allen die Annahme der eigenen Sichtweise der Wahrheit auferlegen zu können. Die Wahrheit kann jedoch... niemals aufgezwungen werden, schreibt der Papst. Er appelliert an die Achtung vor dem Gewissen, erinnert an die Einheit des Menschengeschlechtes und hebt die Größe und Würde der menschlichen Person hervor.

Der Papst kann für diese Initiative eines Weltgebetstreffens aller Religionen und Konfessionen nicht genug gelobt werden. "Alles was aufsteigt, strebt zusammen" hat Chardin gesagt. Die Gebete der Menschen aus verschiedenen Völkern und Religionen steigen auf zum Himmel. Sie wenden sich an ihren Gott. Und wenn sie zusammenstreben, können sie sich in dem einen wahren Gott treffen, den Jesus von Nazareth uns verkündigt hat. Die heutige Gesellschaft leidet unter einem "Ich-verkrümmten Herzen" (M. Luther); dadurch ist sie krank geworden. Wer anders könnte diesen niedergebeugten Menschen wieder zum aufrechten Gang verhelfen, wenn nicht das gemeinsame Gebet? "Möge die Menschheitsfamilie in diesen stürmischen Zeiten den wahren und dauerhaften Frieden finden, der allein aus der Begegnung der Gerechtigkeit mit der Barmherzigkeit entstehen kann" (Joh. Paul II.). Die ganze Welt schaut auf Assisi. Ob die Ohn-Macht die Macht besiegen kann?
 
Ihr

Paul Jakobi
Propst

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